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Ärzteblatt: Reform der Approbationsordnung: Anpassungsbedarf gesehen

Auch beim überarbeiteten Referentenentwurf zur Reform der Approbationsordnung für Ärzte und Ärztinnen werden von betroffenen Akteuren noch etliche Änderungs- und Ergänzungsbedarfe gesehen. Dabei geht es unter anderem um die Detailtiefe bei inhaltlichen Vorgaben, Finanzierungsfragen und Aspekte das Praktische Jahr betreffend.

Die Bundesärztekammer (BÄK) betont in ihrer Stellungnahme, man befürworte zahlreiche Aspekte – etwa die Verknüpfung von grundlagenwissenschaftlichen und klinischen Inhalten. Positiv sei auch, dass der Nationale Kompetenzbasierte Lernzielkatalog Medizin (NKLM) als verbindliche Grundlage für die Ausgestaltung der Leh­­re und Prüfungen der medizinischen Fakultäten im Hinblick auf ein kompetenzbasiertes Studium veran­kert, sowie die Weiterentwicklung des NKLM bereits in der neuen Approbationsordnung angelegt wird.

Damit seien die Voraussetzungen für eine zukunftsfähige und aktuell gehaltene Ausgestaltung des Medizin­studiums geschaffen. Kritik übt die BÄK daran, dass die Finanzierungsfragen zu einer erheblichen Verzögerung des dringend notwendigen Novellierungsprozesses geführt haben, und die neue Approbationsordnung nun erst 2027, anstatt wie ursprünglich geplant 2025, in Kraft treten soll.

Ebenfalls kritisch bewertet die BÄK, dass die inhaltlichen Vorgaben zu Lehr- und Prüfungsinhalten teilweise sehr detailliert ausgearbeitet sind – insbesondere im Hinblick auf die dynamische Entwicklung des medizi­nischen Wissensstandes betrachte man sie „als zu weitreichend formuliert“.

Arbeit im Praktischen Jahr wertschätzen

Dringenden Ergänzungsbedarf sieht die BÄK bei Themen wie einer Aufwandsentschädigung für die von den Studierenden geleistete Arbeit im Praktischen Jahr (PJ), welche auch im neuen Referentenentwurf keine Be­rücksichtigung findet.

Ebenso erachte man es im Sinne der Qualitätssicherung als zwingend notwendig, dass die Landesärztekamm­ern in die Rekrutierung der Lehrpraxen sowohl für das ambulante Quartal im PJ als auch für die ambulanten Blockpraktika eingebunden werden.

Der Marburger Bund bemängelt ebenfalls die „unzureichenden Rahmenvorgaben“ für das Praktische Jahr. Un­ter anderem der Deutsche Ärztetag fordere seit langem die Verankerung einer verpflichtenden und bundes­weit einheitlichen Aufwandsentschädigung mindestens auf dem Niveau des BAföG-Höchstsatzes in der Ärzt­lichen Approbationsordnung.

„Es ist nach wie vor rechtlich nicht nachvollziehbar, warum es nicht möglich sein soll, in einer Rechtsverord­nung mit Zustimmung der Länder nicht nur eine Höchst-, sondern auch eine Mindestgrenze für die Geld- und Sachleistungen festzulegen“, kritisiert der Marburger Bund.

Auch fehle eine Regelung zur Ausgliederung von Krankheitstagen aus den Fehltagen im Praktischen Jahr. „Wer krank ist, muss zu Hause bleiben können, ohne dass dafür Fehltage verloren gehen. Dass wir für eine solche Selbstverständlichkeit kämpfen müssen, wirft ein Schlaglicht auf das mangelnde Verständnis für studentische Belange“, so Pauline Graichen, Vorsitzende des Sprecherrates der Medizinstudierenden im Marburger Bund.

Ähnlich argumentiert der Hartmannbund. Dass es sich bei dem PJ nicht um ein Arbeitsverhältnis handelt, stelle kein Argument gegen eine praktikable Fehlzeitenregelung dar: Zum einen werde die Ausbildungsqua­lität durch ein solches Vorgehen nicht gefährdet und zum anderen sollte der Gesundheitsschutz – gerade im Gesundheitssystem – immer im Vordergrund stehen.

Das eine verpflichtende Aufwandsentschädigung in Höhe des geltenden BAföG-Höchstsatzes auch im neuen Entwurf nicht enthalten ist, kritisiert der Hartmannbund scharf. Die Studierenden im PJ sollen 40 Stunden pro Woche an der Gesundheitsversorgung teilnehmen: Diese geleistete Arbeit müsse auch als solche anerkannt und entlohnt werden.

Die bislang vorgesehene Erhöhung des Arbeitsaufwandes im Humanmedizinstudium von 6.144 Unterrichts­stunden auf 6.683 Unterrichtsstunden lehnt der Hartmannbund „entschieden“ ab. Das Studium sei schon jetzt überfrachtet – Ergänzungen um 59 Stunden zusätzlichen Unterricht und 480 Stunden für die wissenschaftli­che Arbeit müssten zu einer Reduzierung an anderer Stelle führen.

Die Deutsche Hochschulmedizin (DHM), der Dachverband des Medizinischen Fakultätentages (MFT) und des Verbands der Universitätskliniken (VUD), unterstützt grundsätzlich die Reformziele der neuen Approbations­ord­nung.

Allerdings bestünden weiterhin „erhebliche Finanzierungs- und Umsetzungsrisiken“. Werden diese nicht aus­ge­räumt, sieht die DHM die Umsetzung der qualitätsverbessernden Maßnahmen erheblich gefährdet. Zudem drohe einer Unterfinanzierung zulasten der Studienplatzkapazitäten zu gehen.

Laut Berechnungen des MFT ist mit Transformationskosten von rund 144 Millionen Euro für eine Transforma­tionsphase von vier Jahren sowie dauerhaften Mehrkosten von rund 317 Millionen Euro jährlich zu rechnen. Die in dem Referentenentwurf enthaltene Abschätzung der Erfüllungsaufwände sei „deutlich zu niedrig“ an­gesetzt, so die DHM.

Kritisch sieht die DHM die aus ihrer Sicht „viel zu detaillierten“ Vorgaben in der Verordnung. Diese seien für ein universitäres Studium, das viel Freiraum für kritisches Denken, schnelles Reagieren auf neue Themen und Persönlichkeitsentwicklung bieten muss, „nicht akzeptabel“.

Der Nationale Kompetenzbasierte Lernzielkatalog Medizin gewährleiste mit der umfassenden Definition des Kerncurriculums einen gemeinsamen Rahmen für die Lernziele sowie die erforderliche Kontinuität und Aktu­alität – zusätzliche oder kleinteilige Vorgaben in den Anlagen einer Approbationsordnung seien daher zu streichen.

Der Spitzenverband Fachärzte Deutschlands (SpiFa) kritisiert ebenfalls, dass der vorliegende Entwurf der Ap­probationsordnung insgesamt weiterhin eine Vielzahl sehr kleinteiliger Regulierungen enthält. Zu befürchten sei, dass dies die Flexibilität der einzelnen Universitäten und der universitären Ausbildung stark einge­schränkt.

Die im Referentenentwurf beabsichtigte longitudinale Verankerung der Allgemeinmedizin in der medizini­schen Ausbildung bezeichnet der SpiFa als „nicht sachgerecht“. Diese solle „auch mit Blick auf eine bedarfs­gerechte Balance der medizinischen Gebiete innerhalb der ärztlichen Ausbildung“ aufgegeben werden. Das Gebiet der Allgemeinmedizin könne weder aus fachlich-wissenschaftlichen noch versorgungspraktischen Gründen eine Sonderstellung in der ärztlichen Ausbildung für sich beanspruchen.

Dies sieht der Hausärztinnen- und Hausärzteverband anders. „Unzweifelhaft“ stelle die Allgemeinmedizin das Kernfach in der ambulanten Versorgung dar – deshalb sei es notwendig, dass Studierende vertiefte Einblicke in die hausärztliche Versorgung erhalten, auch wenn sie sich später für ein anderes Fachgebiet entscheiden. In diesem Zusammenhang spricht der Verband von schmerzhaften Kompromissen, welche eingegangen werden, um den Fakultäten eine flexible Umsetzung der Reform zu ermöglichen. So sei beispielsweise der vorgesehene Wegfall der einmonatigen Famulatur in einer Einrichtung der hausärztlichen Versorgung „kontraproduktiv“. Besonders bedauerlich sei, dass kein obligatorischer Ausbildungsabschnitt während des PJ im Bereich Allgemeinmedizin in den aktuellen Entwurf aufgenommen wurde.

Eine „schwerwiegende Benachteiligung“ der Lehre zur Kinder- und Jugendmedizin droht laut dem Berufsver­band der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ) und der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (DGKJ). Zukünftige Absolventen des Medizinstudiums würden auf der Basis des aktuellen Entwurfs die für die Behandlung erkrankter Kinder und Jugendlicher erforderlichen Kompetenzen nicht mehr systematisch erwerben.

DGKJ und BVKJ fordern deshalb ein Blockpraktikum in der Kinder- und Jugendmedizin als scheinpflichtige Pflicht-Lehrveranstaltung, die sowohl den stationären als auch den ambulanten Versorgungskontext „angemessen“ berücksichtigt. © aha/aerzteblatt.de

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