Mit dem TSVG wollte der Gesetzgeber durch die Ausbudgetierung von Leistungen für Neupatienten und in offenen Sprechstunden Anreize für einen noch schnelleren Zugang der Patienten in der Versorgung setzen, was eindeutig gelungen ist. Das Gesetz garantiert somit, dass das Krankheitsrisiko für diese Patienten nicht von den Ärzten, sondern von den Krankenkassen übernommen wird, wo es auch hingehört. Um jetzt erste Kostendämpfungsmaßnahmen auf den Weg zu bringen und so Ausgaben zu vermeiden, versuchen die Koalitions-fraktionen von CDU, CSU und SPD auf Druck der gesetzlichen Krankenkassen diese gewünschte und berechtigte Maßnahme nun wieder einzusammeln. Dies soll mit einer weiteren als bisher vorgesehenen Bereinigung der Arzthonorare (morbiditätsbedingte Gesamtvergütung, MGV) erfolgen. Bis zu 2 Mrd. EUR sollen nach Plänen der Koalition auf dem Rücken der Ärztinnen und Ärzte eingespart werden.
Der SpiFa kritisiert die Pläne der Regierungskoalitionen und lehnt eine weitere Bereinigung der MGV ab.
Dr. med. Dirk Heinrich, Vorstandsvorsitzender des SpiFa: „Das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) macht auf Druck der gesetzlichen Krankenkassen eine Kehrtwende und nimmt damit die ersten Schritte zur Ausbudgetierung ambulanter ärztlicher Leistungen in Richtung einer Einzelleistungsvergütung wieder zurück, weil der Preis dafür aus der MGV gezahlt wird. Dies erfolgt, obwohl die Bundesregierung genau weiß, dass mit den im TSVG geschaffenen Regelungen nicht nur die Budgetierung als Grund für die Problemlagen anerkannt und sodann die Versorgung der Menschen in Deutschland tatsächlich verbessert und das Terminproblem gelöst wurde. Dies ist ein Schlag ins Gesicht aller niedergelassenen Ärzte.“
Heinrich weiter: „Mit dem Koalitionsvertrag zwischen CDU/CSU und SPD und dem Amtsantritt von Bundesgesundheitsminister Spahn war das Thema Terminservice für die ärztliche Versorgung das Prestige-Projekt der Bundesregierung und wurde auch so im TSVG umgesetzt, nun verkommt das Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) leider zur Resterampe.“
Darüber hinaus enthält das geplante GVWG, welches auch gern „Sammelgesetz GKV/Leistungsrecht“ genannt wird, weitere Änderungsanträge, wie ein Änderungsantrag, der eine Verlagerung ärztlicher Tätigkeiten auf die Pflege in verpflichtenden Modellvorhaben vorsieht. Damit werden auf den letzten Metern des Gesetzgebungsverfahrens neue Problemfelder aufgemacht, welche weder ausreichend diskutiert noch in seiner Wirkung abzuschätzen sind.
Die rechtliche und wirtschaftliche Verantwortung für die Behandlung von Patientinnen und Patienten tragen bis heute in der Regel die Ärztinnen und Ärzte. Die Auflösung der Arztvorbehalts und die damit einhergehende Verlagerung ärztlicher Leistungen bedarf einer breiten gesellschaftlichen Debatte. Es braucht klare ordnungspolitische Antworten auf die Fragen, wer die rechtliche und wirtschaftliche Verantwortung für Behandlungsmaßnahmen tragen soll, die aus der Hand der Ärztinnen und Ärzte genommen werden.
Bei den verpflichtenden Modellvorhaben zur Übertragung ärztlicher Tätigkeiten an Pflegekräfte, die das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) nun vorgeschlagen hat, handelt es sich um einen gesetzgeberischen Schuss aus der Hüfte. Die von der Bundesregierung beabsichtigten Änderungen des SGB V in dem sozialrechtlichen Sammelgesetz umgehen die notwendige gesellschaftliche Debatte und lassen alle ordnungspolitischen Fragestellungen für eine hochwertige Versorgung und für die Rechtssicherheit von Patienten sowie Ärztinnen und Ärzten völlig unbeantwortet. Das Vorhaben wird zu einer Randnotiz herabqualifiziert, dazu noch mitten in einer weltweiten Pandemie. Eine notwendige und differenzierte parlamentarische Befassung mit diesem für die zukünftige Patientenversorgung wichtigen Thema kann nicht stattfinden.
Lars F. Lindemann, Hauptgeschäftsführer des SpiFa dazu: „Aus Sicht der Fachärztinnen und Fachärzte darf es solche Schnellschüsse im Interesse der Patientinnen und Patienten nicht geben. Wir fordern die Parlamentarier auf, sich für eine breite und sorgfältige ordnungspolitische Debatte in dieser für die Versorgung wichtigen Frage mit weitreichenden Folgen einzusetzen und sich an dieser Stelle nicht von der Bundesregierung vor sich her treiben zu lassen.“