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SpiFa-Vorstandsvorsitzender Dr. Dirk Heinrich im Interview: „Für die Verbände wird das eine richtig große Veränderung“

Die Fachärzteschaft steht vor einem großen Umbruch: Setzen Union und SPD ihre Pläne für ein verpflichtendes Primärarztsystem nun zügig um, stellt sich die Frage, wie die Facharztpraxen effektiv das Steuerungssystem integriert werden könnten. Explodiert die Zahl der Facharztverträge im HzVSystem? Wie sollen chronisch Kranke gesteuert werden? Der Spitzenverband Fachärztinnen und Fachärzte Deutschlands (SpiFa) hält es für geboten, sich für eine arbeitsreiche Zukunft neu aufzustellen. Der änd sprach mit dem Vorsitzenden Dr. Dirk Heinrich.

Herr Dr. Heinrich, lange ist über das Thema Patientensteuerung gesprochen worden – jetzt wollen Union und SPD offenbar den Schalter umlegen. Im Einigungspapier der AG Gesundheit heißt es, dass ein „Primärarztsystem bei freier Arztwahl durch Haus- und Kinderärzte in der HzV und im Kollektivvertrag eingeführt werden soll. Wie stehen die Fachärzte dazu?

Aussagen zu dem Papier kann man natürlich erst einmal nur unter Vorbehalt machen – wir reden ja noch nicht über einen Koalitionsvertrag. Aber es ist eine interessante Entwicklung. Die Fachärzteschaft stand einem Primärarztsystem ja lange Zeit skeptisch oder sogar ablehnend gegenüber. Das hat sich aber mit der Veränderung der Rahmenbedingungen über die Jahre geändert: Die Fachärzte sind weniger geworden und wir stehen unter einem erheblichen Termindruck. Wir sehen immer mehr Patienten, die durch nicht gesteuerte Inanspruchnahme das System stark belasten. Deshalb hat die Fachärzteschaft ja auch schon vor dem jetzt diskutierten Papier deutlich gesagt: Wir müssen eine Patientensteuerung haben. Aber dass das jetzt so flott kommen soll – mit einem verpflichtenden Primärarztsystem im Kollektivvertrag und der HZV – damit hatte vermutlich kaum ein Beobachter gerechnet.

Mir fehlt auch ein wenig die Fantasie, wie das in HZV und Kollektivvertrag zeitgleich immer friedlich nebeneinander herlaufen soll.

Da liegt sicher der Teufel im Detail. Man muss sich jetzt sehr viele Gedanken machen: Wie gestaltet man die Steuerung im Kollektivvertrag und wie in der HZV? Klar ist, dass auch eine gewisse Steuerung und Koordination über Fachärzte erfolgen muss, weil sonst die Hausärzte überfordert wären. Das ZI hat ja bereits mit Zahlen untermauert, welche Dimensionen eine plötzliche Überflutung der Hausarztpraxen annehmen würde. Es muss also eine intelligente Aufteilung und ein intelligentes Miteinander geben. Wir reden ja auch von Systemen, die in gewisser Weise im Wettbewerb miteinander stehen.
Wir lesen das Papier so, dass sich der Patient entweder in die HzV einschreiben muss – die dann mit entsprechenden Facharztverträgen erweitert werden muss – oder im Kollektivvertrag beim Hausarzt seinen Haken macht. Es muss in beiden Fällen sichergestellt sein, dass wir Fachärzte die Patienten, die an einer chronischen Erkrankung leiden, auch ohne Überweisung behandeln dürfen. Das kann man sehr gut über die Diagnosen und ICD-Codes regeln. Da kommt dann jetzt auch die elektronische Gesundheitsakte ins Spiel und könnte eine wichtige Rolle spielen.

Weil sie was leistet?

Weil sie dem Patienten anzeigen kann: Du bist jetzt beim Hausarzt X eingeschrieben, kannst aber auch ohne Überweisung den Diabetologen Y oder den Orthopäden Z aufsuchen, weil Du die entsprechende Erkrankung hast. Über die ePA wissen dann auch die Haus- und Fachärzte, was Sache ist.

Und bei Erkrankungen, die vielleicht schwerer sind, aber nur eine zeitlich begrenzte Behandlung erfordern? Nehmen wir einmal eine Nachbehandlung nach einem Kreuzbandriss…

…bei dem ebenso in der ePA durch den Hausarzt oder die Klinik vermerkt ist, dass er bei dieser episodenhaften Erkrankung über einen bestimmten Zeitraum – zum Beispiel sechs oder zwölf Monate, also zeitlich begrenzt zum Orthopäden gehen kann, ohne dafür eine erneute Überweisung zu benötigen. Erst dann geht es wieder verpflichtend zuerst zum Hausarzt. Das könnte man sehr gut regeln. Ansonsten muss es natürlich Ziel sein, die ungerechtfertigt in den Facharztpraxen aufschlagende Laufkundschaft mit leichten oder Bagatellerkrankungen davon abzuhalten, die Behandlungswege bei den Spezialisten zu verstopfen.

Kommen wir einmal zum Thema Termine: Im Papier heißt es, dass „Primärärzte oder die von den Kassenärztlichen Vereinigungen betriebene 116117 den medizinisch notwendigen Bedarf für einen Facharzttermin“ feststellen und den dafür notwendigen Zeitkorridor festlegen sollen. Kann die KV nicht liefern, sollen die Klinken den Fall ambulant übernehmen dürfen…

…was die Kliniken gar nicht leisten könnten. Die Debatte darüber ist ja nicht neu. Grundsätzlich ist es doch auch so: Wenn ein intelligentes Steuerungssystem wie beschrieben umgesetzt wird, ist ja die fachärztliche Behandlungsnotwendigkeit ja vom Hausarzt oder einem anderen Ersteinschätzungssystem vorher festgestellt worden. Daher wird es gar nicht nötig sein, das Nichtvorhandensein von Terminen mit Sanktionen zu belegen Sind wir von den Bagatellfällen entlastet, wird es in der Regel dazu kommen, dass die Patienten in vier Wochen ihren Termin haben, weil genug Termine zur Verfügung stehen.

Der nächste Schritt wäre ja dann sogar, dass sich alle Patienten wie beim Fliegen einmal in das System online einchecken und dann eine SmED-Analyse durchlaufen. Dann könnte direkt die Rückmeldung erfolgen, ob de Notarzt eingeschaltet ist, ob ein Facharzttermin erforderlich wird – der dann auch direkt vermittelt wird – oder der Hausarzt erst einmal abklären soll, was Sache ist. Das System könnte den Patienten intelligent steuern u die Termine gleich mit vergeben. Aber das ist noch Zukunftsmusik, und wir sollten nicht den zweiten Schritt vor dem ersten machen. Letzten Endes wird es mit KI aber in diese Richtung gehen, denke ich.

In dem Papier ist in Sachen Honorar auch von einer geplanten „Flexibilisierung des Quartalsbezugs“ die Rede. Für Fachärzte interessant?

Es kann durchaus Sinn machen, wenn sich die Behandlung einer Krankheit über mehrere Monate hinzieht. A der anderen Seite sollten wir das System nicht gleich mit unzähligen Neuerungen überfrachten. Nötig ist vielmehr, dass wir nun rasch mit der Steuerung starten. Das geht in Teilen auch erst einmal mit dem alten Honorarsystem. Bei den Hausärzten macht das Nachdenken über Jahrespauschalen noch mehr Sinn – das sehen wir ja auch in der Debatte über die HZV.

Dann noch ein Wort zur angekündigten Entbudgetierung der Fachärzte in unterversorgten Regionen. Das würde vermutlich nur einem kleinen Teil der Fachärzteschaft helfen, oder?

Das ganze Kapitel der Budgetierung wäre in einem gesteuerten System ohnehin obsolet. Wenn ich ein verpflichtendes Steuerungssystem einführe, bei dem der Hausarzt oder später eine KI die Notwendigkeit einer fachärztlichen Behandlung eindeutig festgestellt hat, dann ist eine Budgetierung ja Unsinn. Es kann dann ja keine unangemessene Leistungsausweitung sein. Notwendige Untersuchungen müssen dann auch bezahlt werden. Also: Im gesteuerten System kann es keine Budgetierung mehr geben!

Unsinn ist auch der Vorschlag, mit Abzügen in Regionen zu arbeiten, die nach einem uralten Bedarfsplanungssystem als überversorgt gelten. Den Kolleginnen und Kollegen dort hat ein Zulassungsausschuss ja die Niederlassung genehmigt. Da kann man nicht hinterher sagen: Wir wussten nicht, dass es da zu viele Praxen gibt – jetzt ziehen wir Ihnen etwas ab. Das ginge in den Bereich der Enteignung und wäre rechtlich sicher auch nicht haltbar. In der jetzigen Stimmungslage der Ärzteschaft kein guter Vorschlag.

Sie haben die Bedarfsplanung angesprochen. Die soll nun bei Bedarf noch kleinteiliger werden und die Länder sollen in den Zulassungsausschüssen eine ausschlaggebende Stimme bekommen. Ein guter Vorschlag?

Wer schon einmal in einem Zulassungsausschuss gesessen hat, weiß: Da sind die gesetzlichen Vorgaben so detailliert gebaut, dass man kaum Spielraum für große Änderungen hat – auch mit einer angeblich „ausschlaggebenden Stimme“. Aber das ist auch nicht der Punkt: Eine andere Bedarfsplanung führt ja nicht zu mehr Ärzten. Ich kann in Hamburg im Stadtteil Horn vielleicht mit einer noch kleinräumigeren Planung eine Situation schaffen, bei der das System noch drei freie Hausarztsitze zusätzlich ausspuckt. Aber es gibt für die vorhandenen Sitze schon jetzt keine Bewerber. Das wäre also nur unnötige Excel-Tabellen-Akrobatik.

Sind Sie euphorischer bei der angekündigten Ausweitung der Hybrid-DRG?

Dass eine umfassende Erweiterung ins Auge gefasst wird, hat uns in der Tat gefreut. Wir müssen die Hybrid-DRG wirklich da einführen, wo sie möglich sind. Wir haben dazu ja auch genug Daten und Vorschläge vorgelegt. Die Sachkosten müssen noch raus und die zweite Rechtsverordnung, wo man das wieder auf den EBM zurückführt, muss wieder weg. Sonst ist das ja nicht attraktiv und es macht am Ende keiner. Aber wir haben hier ein Instrument, dass etwas bewegen und überflüssige Kapazitäten im Krankenhaussektor
abschaffen kann. Genau das sollte ja der logische Schritt vor einer großen Krankenhausreform sein.

…die im Einigungspapier ja auch viel Aufmerksamkeit erhält – und vor allem viel Geld.

Da haben sich vor allem die Länder mit der Forderung nach mehr Freiheiten und Flexibilität durchgesetzt. Die Krankenhausreform ist eine schwierige Reform, weil die Politik Angst hat, dass der Wutbürger um die Ecke kommt und ihnen Ärger macht. Das ist den Landräten unheimlich – aber da müssen sie durch.

Zum Ende noch eine Frage zum SpiFa direkt: Wie werden die geplanten Änderungen – unter anderem bei der Patientensteuerung – intern diskutiert? Wie bereiten Sie sich auf die Zukunft vor?

Natürlich haben wir uns die Pläne genau angeschaut und ihre Auswirkungen auch auf der Mitgliederversammlung intensiv diskutiert. Das bedeutet natürlich einen Umbruch für die Verbände. Union und SPD haben betont, dass chronisch Kranke auch durch den Facharzt gesteuert werden müssen. Wir benötigen also bundesweit eine HZV mit Facharztverträgen auf der einen Seite – und einen Kollektivvertrag mit einer intelligenten Steuerung zwischen Haus- und Facharztpraxen auf der anderen Seite. Das wollen wir als SpiFa
nicht nur begleiten, sondern auch Vorschläge machen und intensiv mitarbeiten, damit das zu einem Erfolg wird. Insbesondere bei der HzV mit Facharztverträgen wird der SpiFa diese Verträge verhandeln. Dazu muss sich der SpiFa neu aufstellen. Das wird enorm viel Arbeit machen, dazu ist der SpiFa aber bereit. Wir werden uns personell verstärken müssen. Zunächst gibt es sicher eine Einführungsphase, die vielleicht zwei Jahre dauert, bis alles implementiert ist. Dann muss gemonitort und weiterentwickelt werden. Das ist ja eine wirklich neue Entwicklung der Versorgung. Die Praxen müssen sich darauf einstellen und die Verbände müssen das für ihre Mitglieder begleiten. Bis alles rund läuft, sind vielleicht fünf Jahre vorbei. Daher muss sich auch an der Spitze des SpiFa ein Vorstandsvorsitzender finden, der diese Entwicklung über viele Jahre gestalten kann –idealerweise in einem Team aus drei oder vier Leuten. Ich bin jetzt in der Mitte meiner letzten und dritten Amtsperiode und stand über zehn Jahre an der Vorstandsspitze des SpiFa. Deshalb werden wir im Laufe dieses Jahres an der Spitze des Spifa folgerichtig eine Veränderung vornehmen. Ich werde weiterhin mit dabei sein aber nicht als Vorstandsvorsitzender. Letzten Endes geht es darum, einen Generationenwechsel einzuläuten.

Herr Dr. Heinrich, lange ist über das Thema Patientensteuerung gesprochen worden – jetzt wollen Union und SPD offenbar den Schalter umlegen. Im Einigungspapier der AG Gesundheit heißt es, dass ein „Primärarztsystem bei freier Arztwahl durch Haus- und Kinderärzte in der HzV und im Kollektivvertrag eingeführt werden soll. Wie stehen die Fachärzte dazu?

Aussagen zu dem Papier kann man natürlich erst einmal nur unter Vorbehalt machen – wir reden ja noch nicht über einen Koalitionsvertrag. Aber es ist eine interessante Entwicklung. Die Fachärzteschaft stand einem Primärarztsystem ja lange Zeit skeptisch oder sogar ablehnend gegenüber. Das hat sich aber mit der
Veränderung der Rahmenbedingungen über die Jahre geändert: Die Fachärzte sind weniger geworden und wir stehen unter einem erheblichen Termindruck. Wir sehen immer mehr Patienten, die durch nicht gesteuerte Inanspruchnahme das System stark belasten. Deshalb hat die Fachärzteschaft ja auch schon vor dem jetzt
diskutierten Papier deutlich gesagt: Wir müssen eine Patientensteuerung haben. Aber dass das jetzt so flott kommen soll – mit einem verpflichtenden Primärarztsystem im Kollektivvertrag und der HZV – damit hatte vermutlich kaum ein Beobachter gerechnet.

Mir fehlt auch ein wenig die Fantasie, wie das in HZV und Kollektivvertrag zeitgleich immer friedlich
nebeneinander herlaufen soll.


Da liegt sicher der Teufel im Detail. Man muss sich jetzt sehr viele Gedanken machen: Wie gestaltet man die Steuerung im Kollektivvertrag und wie in der HZV? Klar ist, dass auch eine gewisse Steuerung und Koordination über Fachärzte erfolgen muss, weil sonst die Hausärzte überfordert wären. Das ZI hat ja bereits mit Zahlen untermauert, welche Dimensionen eine plötzliche Überflutung der Hausarztpraxen annehmen würde. Es muss also eine intelligente Aufteilung und ein intelligentes Miteinander geben. Wir reden ja auch von Systemen, die in gewisser Weise im Wettbewerb miteinander stehen.
Wir lesen das Papier so, dass sich der Patient entweder in die HzV einschreiben muss – die dann mit entsprechenden Facharztverträgen erweitert werden muss – oder im Kollektivvertrag beim Hausarzt seinen Haken macht. Es muss in beiden Fällen sichergestellt sein, dass wir Fachärzte die Patienten, die an einer chronischen Erkrankung leiden, auch ohne Überweisung behandeln dürfen. Das kann man sehr gut über die Diagnosen und ICD-Codes regeln. Da kommt dann jetzt auch die elektronische Gesundheitsakte ins Spiel un könnte eine wichtige Rolle spielen.

Weil sie was leistet?

Weil sie dem Patienten anzeigen kann: Du bist jetzt beim Hausarzt X eingeschrieben, kannst aber auch ohne Überweisung den Diabetologen Y oder den Orthopäden Z aufsuchen, weil Du die entsprechende Erkrankung hast. Über die ePA wissen dann auch die Haus- und Fachärzte, was Sache ist.

Und bei Erkrankungen, die vielleicht schwerer sind, aber nur eine zeitlich begrenzte Behandlung erfordern? Nehmen wir einmal eine Nachbehandlung nach einem Kreuzbandriss…

…bei dem ebenso in der ePA durch den Hausarzt oder die Klinik vermerkt ist, dass er bei dieser episodenhaften Erkrankung über einen bestimmten Zeitraum – zum Beispiel sechs oder zwölf Monate, also zeitlich begrenzt zum Orthopäden gehen kann, ohne dafür eine erneute Überweisung zu benötigen. Erst dann geht es wieder
verpflichtend zuerst zum Hausarzt. Das könnte man sehr gut regeln. Ansonsten muss es natürlich Ziel sein, die ungerechtfertigt in den Facharztpraxen aufschlagende Laufkundschaft mit leichten oder Bagatellerkrankungen davon abzuhalten, die Behandlungswege bei den Spezialisten zu verstopfen.

Kommen wir einmal zum Thema Termine: Im Papier heißt es, dass „Primärärzte oder die von den Kassenärztlichen Vereinigungen betriebene 116117 den medizinisch notwendigen Bedarf für einen Facharzttermin“ feststellen und den dafür notwendigen Zeitkorridor festlegen sollen. Kann die KV nicht liefern, sollen die Klinken den Fall ambulant übernehmen dürfen…

…was die Kliniken gar nicht leisten könnten. Die Debatte darüber ist ja nicht neu. Grundsätzlich ist es doch auch so: Wenn ein intelligentes Steuerungssystem wie beschrieben umgesetzt wird, ist ja die fachärztliche Behandlungsnotwendigkeit ja vom Hausarzt oder einem anderen Ersteinschätzungssystem vorher festgestellt worden. Daher wird es gar nicht nötig sein, das Nichtvorhandensein von Terminen mit Sanktionen zu belegen Sind wir von den Bagatellfällen entlastet, wird es in der Regel dazu kommen, dass die Patienten in vier Wochen ihren Termin haben, weil genug Termine zur Verfügung stehen.

Der nächste Schritt wäre ja dann sogar, dass sich alle Patienten wie beim Fliegen einmal in das System online einchecken und dann eine SmED-Analyse durchlaufen. Dann könnte direkt die Rückmeldung erfolgen, ob de Notarzt eingeschaltet ist, ob ein Facharzttermin erforderlich wird – der dann auch direkt vermittelt wird – oder
der Hausarzt erst einmal abklären soll, was Sache ist. Das System könnte den Patienten intelligent steuern u die Termine gleich mit vergeben. Aber das ist noch Zukunftsmusik, und wir sollten nicht den zweiten Schritt vor dem ersten machen. Letzten Endes wird es mit KI aber in diese Richtung gehen, denke ich.

In dem Papier ist in Sachen Honorar auch von einer geplanten „Flexibilisierung des Quartalsbezugs“ die Rede. Für Fachärzte interessant?

Es kann durchaus Sinn machen, wenn sich die Behandlung einer Krankheit über mehrere Monate hinzieht. A der anderen Seite sollten wir das System nicht gleich mit unzähligen Neuerungen überfrachten. Nötig ist vielmehr, dass wir nun rasch mit der Steuerung starten. Das geht in Teilen auch erst einmal mit dem alten
Honorarsystem. Bei den Hausärzten macht das Nachdenken über Jahrespauschalen noch mehr Sinn – das sehen wir ja auch in der Debatte über die HZV.

Dann noch ein Wort zur angekündigten Entbudgetierung der Fachärzte in unterversorgten Regionen. Das würde vermutlich nur einem kleinen Teil der Fachärzteschaft helfen, oder?

Das ganze Kapitel der Budgetierung wäre in einem gesteuerten System ohnehin obsolet. Wenn ich ein verpflichtendes Steuerungssystem einführe, bei dem der Hausarzt oder später eine KI die Notwendigkeit einer fachärztlichen Behandlung eindeutig festgestellt hat, dann ist eine Budgetierung ja Unsinn. Es kann dann ja keine unangemessene Leistungsausweitung sein. Notwendige Untersuchungen müssen dann auch bezahlt werden. Also: Im gesteuerten System kann es keine Budgetierung mehr geben!

Unsinn ist auch der Vorschlag, mit Abzügen in Regionen zu arbeiten, die nach einem uralten Bedarfsplanungssystem als überversorgt gelten. Den Kolleginnen und Kollegen dort hat ein Zulassungsausschuss ja die Niederlassung genehmigt. Da kann man nicht hinterher sagen: Wir wussten nicht, dass es da zu viele Praxen gibt – jetzt ziehen wir Ihnen etwas ab. Das ginge in den Bereich der Enteignung und wäre rechtlich sicher auch nicht haltbar. In der jetzigen Stimmungslage der Ärzteschaft kein guter Vorschlag.

Sie haben die Bedarfsplanung angesprochen. Die soll nun bei Bedarf noch kleinteiliger werden und die Länder sollen in den Zulassungsausschüssen eine ausschlaggebende Stimme bekommen. Ein guter Vorschlag?

Wer schon einmal in einem Zulassungsausschuss gesessen hat, weiß: Da sind die gesetzlichen Vorgaben so detailliert gebaut, dass man kaum Spielraum für große Änderungen hat – auch mit einer angeblich „ausschlaggebenden Stimme“. Aber das ist auch nicht der Punkt: Eine andere Bedarfsplanung führt ja nicht zu mehr Ärzten. Ich kann in Hamburg im Stadtteil Horn vielleicht mit einer noch kleinräumigeren Planung eine Situation schaffen, bei der das System noch drei freie Hausarztsitze zusätzlich ausspuckt. Aber es gibt für die vorhandenen Sitze schon jetzt keine Bewerber. Das wäre also nur unnötige Excel-Tabellen-Akrobatik.

Sind Sie euphorischer bei der angekündigten Ausweitung der Hybrid-DRG?

Dass eine umfassende Erweiterung ins Auge gefasst wird, hat uns in der Tat gefreut. Wir müssen die Hybrid-DRG wirklich da einführen, wo sie möglich sind. Wir haben dazu ja auch genug Daten und Vorschläge vorgelegt. Die Sachkosten müssen noch raus und die zweite Rechtsverordnung, wo man das wieder auf den EBM zurückführt, muss wieder weg. Sonst ist das ja nicht attraktiv und es macht am Ende keiner. Aber wir haben hier ein Instrument, dass etwas bewegen und überflüssige Kapazitäten im Krankenhaussektor
abschaffen kann. Genau das sollte ja der logische Schritt vor einer großen Krankenhausreform sein.

…die im Einigungspapier ja auch viel Aufmerksamkeit erhält – und vor allem viel Geld.

Da haben sich vor allem die Länder mit der Forderung nach mehr Freiheiten und Flexibilität durchgesetzt. Die Krankenhausreform ist eine schwierige Reform, weil die Politik Angst hat, dass der Wutbürger um die Ecke kommt und ihnen Ärger macht. Das ist den Landräten unheimlich – aber da müssen sie durch.

Zum Ende noch eine Frage zum SpiFa direkt: Wie werden die geplanten Änderungen – unter anderem bei der Patientensteuerung – intern diskutiert? Wie bereiten Sie sich auf die Zukunft vor?

Natürlich haben wir uns die Pläne genau angeschaut und ihre Auswirkungen auch auf der Mitgliederversammlung intensiv diskutiert. Das bedeutet natürlich einen Umbruch für die Verbände. Union und SPD haben betont, dass chronisch Kranke auch durch den Facharzt gesteuert werden müssen. Wir benötigen also bundesweit eine HZV mit Facharztverträgen auf der einen Seite – und einen Kollektivvertrag mit einer intelligenten Steuerung zwischen Haus- und Facharztpraxen auf der anderen Seite. Das wollen wir als SpiFa
nicht nur begleiten, sondern auch Vorschläge machen und intensiv mitarbeiten, damit das zu einem Erfolg wird. Insbesondere bei der HzV mit Facharztverträgen wird der SpiFa diese Verträge verhandeln. Dazu muss sich der SpiFa neu aufstellen. Das wird enorm viel Arbeit machen, dazu ist der SpiFa aber bereit. Wir werden uns personell verstärken müssen. Zunächst gibt es sicher eine Einführungsphase, die vielleicht zwei Jahre dauert, bis alles implementiert ist. Dann muss gemonitort und weiterentwickelt werden. Das ist ja eine wirklich neue Entwicklung der Versorgung. Die Praxen müssen sich darauf einstellen und die Verbände müssen das für ihre Mitglieder begleiten. Bis alles rund läuft, sind vielleicht fünf Jahre vorbei. Daher muss sich auch an der Spitze des SpiFa ein Vorstandsvorsitzender finden, der diese Entwicklung über viele Jahre gestalten kann –
idealerweise in einem Team aus drei oder vier Leuten. Ich bin jetzt in der Mitte meiner letzten und dritten Amtsperiode und stand über zehn Jahre an der Vorstandsspitze des SpiFa. Deshalb werden wir im Laufe dieses Jahres an der Spitze des Spifa folgerichtig eine Veränderung vornehmen. Ich werde weiterhin mit dabei sein aber nicht als Vorstandsvorsitzender. Letzten Endes geht es darum, einen Generationenwechsel einzuläuten.

Sie gehen also davon aus, dass die dann neue Spitze des SpiFa eine Menge neuer Facharztverträge managen wird?

In der Tat wird das ein großer Aufgabenbereich, aber der SpiFa hat ja heute schon gut aufgestellte Strukturen, die eine große Zahl an Selektivverträgen managen. Und wir werden natürlich auf das Wissen aus Baden-Württemberg zurückgreifen. Da gibt es ja schon sehr viele gute Verträge, die man aber nicht immer 1:1 übernehmen kann. Da kommt viel Arbeit auf uns zu. Und im HZV-Bereich können das ja nur die Verbände leisten. Im Kollektivvertrag ist das KV-System gefragt. Aber auch das müssen wir begleiten. Für die Verbände wird das eine richtig große Veränderung. Das ist auch ein Kraftakt, der finanziert werden muss, und bei dem es auch Stolperfallen geben wird. Aber wir sehen das positiv – als Chance zu gestalten – und werfen uns da auch voll rein.

Im ersten Schritt werden Sie sicher darauf drängen, dass sich die Politiker der neuen Koalition zeitnah mit dem SpiFa zusammensetzen.

Ja, und wir haben keinen Zweifel, dass unsere Expertise geschätzt wird. Schließlich sind es ja auch einige unserer Ideen, die da umgesetzt wurden. Schaut man sich die Grundsatzprogramme des SpiFa oder auch des Virchowbundes an, so finden sich ja viele unserer Ideen im Papier der AG Gesundheit wieder. Ja, es gibt viele Herausforderungen und Fallstricke – aber wir wollen gestalten. Das ist für unsere Mitglieder enorm wichtig. Es geht schließlich um nichts Geringeres als die Neugestaltung unseres ärztlichen Alltags und um die Zukunft der Fachärzte.

Quelle: änd Ärztenachrichtendienst Verlags-AG, 31.03.2025