Der Vorstandsvorsitzende des Spitzenverband Fachärzte Deutschlands (SpiFa), Dr. med. Dirk Heinrich, äußert sich zum Appell des Deutschen Städtetags, Arztpraxen abends, am Wochenende und an den Feiertagen geöffnet zu halten, um die Krankenhäuser in der aktuellen Grippewelle zu entlasten:
„Der Vorschlag des Städtetags ist eine Unverschämtheit sondergleichen. Erst spart man die ambulante Versorgung über Jahrzehnte mit der Budgetierung kaputt, dann wird zum Ende des Jahres die Neupatientenregelung gestrichen und nun sollen die Praxen über Weihnachten länger arbeiten, weil Kommunen und Länder sich bei der Krankenhausfinanzierung einen schlanken Fuß machen und notwendige Strukturreformen blockieren. Wer solche Ideen in die Welt setzt, hat von Versorgung offenbar keine Ahnung. Es ist den niedergelassenen Kolleginnen und Kollegen nicht vermittelbar, warum sie und ihre Mitarbeiter über Weihnachten länger arbeiten sollen und gleichzeitig bei den milliardenschweren Hilfsprogrammen der Bundesregierung in die Röhre gucken. Derartige Vorschläge gehören in die Rubrik ‚Jetzt reicht’s!‘“
„Steigende Energiekosten und die andauernd hohe Inflation betreffen nicht nur Deutschlands Kliniken. Auch Fachärztinnen und Fachärzte in der ambulanten Versorgung brauchen einen entsprechenden Ausgleich“, so Dr. Dirk Heinrich, Vorstandsvorsitzender des SpiFa. „Denn ambulante Strukturen sind systemrelevanter denn je. Das scheint gerade jetzt, wo ein Ende der Pandemie in Sicht ist, ganz schnell in Vergessenheit zu geraten: es waren die ambulanten Strukturen, die die erste Anlaufstelle für Patienten mit einer Corona-Erkrankung waren. Hier wurde auch ein großer Teil der inzwischen knapp 190 Millionen Impfdosen verabreicht.“
Für Facharztpraxen mit hohem Energiebedarf sind die hohen Energiepreise besonders belastend teilweise gar existenzbedrohend. Ohne entsprechende Hilfsmaßnahmen könnten eine Reduktion von Sprechstundenzeiten und Aufnahmestopps für neue Patienten die Folge sein.
Der SpiFa fordert die Politik auf, die bundesweit andauernden Proteste der Ärztinnen und Ärzte ernst zu nehmen. Hierzu SpiFa-Hauptgeschäftsführer Robert Schneider: „Es fehlen hier ein Zeichen der Wertschätzung und ein klares Signal der Politik, und zwar fernab von Lippenbekenntnissen und Beifallsbekundungen.“
„In dem nun beschlossenen Gesetz ist zumindest ein grundsätzlicher Denkansatz in Richtung Hybrid-DRGs erkennbar, das begrüßen wir natürlich. Entscheidend wird aber sein, welche Richtung die Bundesregierung nun weiter einschlägt, um tatsächlich die Grenze zwischen dem ambulanten und stationären Sektor zu überwinden, und wie das konzeptionell ausgestaltet werden soll,“ so Dr. Dirk Heinrich, Vorstandsvorsitzender des SpiFa. „Die Fachärztinnen und Fachärzte stehen aber grundsätzlich zur Idee der Hybrid-DRGs. Der SpiFa und seine Mitgliedsverbände haben hierfür mit der Vorlage Ihres Konzeptes für eine ‚Struktur und Vergütung ärztlich intersektorale Leistungen‘ eine umsetzbare Möglichkeit aufgezeigt.“
Grundsätzliche Zustimmung gibt es seitens des SpiFa auch dafür, dass die konkrete Ausgestaltung des §115f nun vorerst wie üblich durch die Selbstverwaltung erfolgen soll und nicht direkt per Rechtsverordnung durch den Gesetzgeber.
SpiFa Hauptgeschäftsführer Robert Schneider zeigt sich jedoch auch hier skeptisch: „Es bleibt abzuwarten, ob und inwieweit die Verhandlungen der drei beteiligten Seiten zum Erfolg führen. Der gesteckte Zeitrahmen der Bundesregierung ist – wohl auch bewusst – knapp bemessen, und das Herbeiführen einer tragfähigen und für alle drei Seiten akzeptablen Lösung benötigt nun mal mehr Zeit. Der SpiFa wird den Verhandlungsverlauf und auch eine drohende Verordnung seitens des Gesetzgebers kritisch-konstruktiv mitverfolgen.“
Dr. Helmut Weinhart, 2. stellvertretender Vorsitzender des SpiFa beäugt hingegen kritisch die Umsetzung der tagesstationären Behandlungen: „Die im Gesetzestext verwendete Begrifflichkeit „in medizinisch geeigneten Fällen“ ist für eine rechtssichere Anwendung in der Praxis viel zu unkonkret. Aus Sicht der Fachärztinnen und Fachärzte jedenfalls sind alle operativ-invasiven Eingriffe am Patienten davon bereits ausgeschlossen. Denn dort lässt sich das zwischenzeitliche Entlassen von Patienten nach Hause aus medizinischen, organisatorischen, und nicht zuletzt auch aus rechtlichen Gründen nicht umsetzen. Auf dieses Glatteis werden sich kein Krankenhaus und keine Fachärztin oder Facharzt begeben.“
„Das mag an dieser Stelle erst einmal marginal wirken,“ so Dr. Helmut Weinhart, stellvertretender 2. Vorsitzender des SpiFa. „Aber wir sprechen hier erstens von einem ganz konkreten Eingriff ins duale Krankenversicherungssystem und zweitens von einem Präzedenzfall, einem Fuß in der Tür, von dem wir nicht wissen, an welcher Stelle er uns wieder begegnen wird. Die Fachärztinnen und Fachärzte sind künftig gewarnt, wieviel Glauben man den Worten im Koalitionsvertrag schenken darf. Dieses Kind ist jedenfalls in den Brunnen gefallen.“
Auch SpiFa-Vorstandsmitglied Jörg Karst zeigt sich verärgert: „Nachdem in der vergangenen Legislaturperiode extra eine Expertenkommission eingerichtet wurde, die sich in ihrem 2020 vorgelegten Gutachten eben gerade nicht für eine Harmonisierung von EBM und GOÄ ausgesprochen hatte, nimmt die Ampelkoalition in diesem Gesetz wider besseres Wissen aus ideologischen Motiven heraus eine Anpassung in Richtung Bürgerversicherung vor, denn Leistungen zum Einheitspreis zu verordnen ist nichts anderes. Und dies geschieht dann auch noch im Rahmen eines völlig undurchsichtigen Konvoluts an Gesetzesänderungen im Rahmen des Krankenhauspflegeentlastungsgesetzes. Damit wird – abermals – das Vertrauen der Ärztinnen und Ärzte in die Gesundheitspolitik nachhaltig beschädigt.“
„Eine vorwiegend ausgabenorientierte Gesundheitspolitik ist keine solide Grundlage für ein nachhaltiges und resilientes Gesundheitswesen. Wir brauchen strukturelle Reformen anstatt Empfehlungen seitens der Bundesregierung“, so Dr. Dirk Heinrich, Vorstandsvorsitzender des SpiFa. „Mit einer reinen Politik nach Haushaltslage zementiert sie den Zustand unseres Gesundheitswesens, anstatt Probleme und Missstände aufzulösen. Reformen kosten Geld. Sie brauchen Mut, Gestaltungswillen und stabile Ansätze zur Finanzierung. Die Fachärztinnen und Fachärzte Deutschlands erwarten, dass die Ampelkoalition diese bald liefert.“
Der stellvertretende 2. Vorsitzende des SpiFa Dr. Helmut Weinhart ergänzt: „Reformvorhaben finden sich genug im Koalitionsvertrag der Ampelparteien. Jetzt wird es aber Zeit, diese auch anzugehen und mit Leben zu füllen. So beispielsweise die sektorenverbindende Versorgung.“ Die von der Bundesregierung angestrebte Einführung einer neuen DRG-Hybridform könnte ein adäquates Mittel sein, Abschottung der Sektorengrenzen durch sektorenverbindende Versorgungsstrukturen endlich zu überwinden und die Fragen des Leistungsrechts, des Leistungskataloges oder der Vergütung obsolet zu machen. „Dass immer noch zu viele medizinische Leistungen stationär erbracht werden, weiß auch die Gesundheitspolitik. Jetzt heißt es handeln. Vom Vorantreiben der Ambulantisierung der Medizin profitieren dann auch die GKV-Finanzen. So funktioniert ‚Stabilisierung‘“, so Weinhart weiter.
Ein Konzept dafür, wie die Worthülse „Hybrid-DRG“ ausgestaltet werden könnte, hat der SpiFa bereits 2019 vorgelegt. Das „Konzept zur Struktur und Vergütung ärztlich intersektoraler Leistungen“ ist zeitnah umsetzbar und erfährt nicht nur seitens der Fachärzteschaft breite Akzeptanz. Hierzu Vorstandsmitglied Jörg Karst: „Wer zügig und zeitnah eine gute Patientenversorgung an der Schnittstelle ambulant-stationär umsetzen möchte, hat mit diesem Konzept alle notwendigen Bausteine zur Hand. Jegliches Zögern der Bundesregierung wird allerdings wie bisher eine Reform verhindern und damit auch weitere damit einhergehende Reformvorhaben ausbremsen.“
Das Konzept ist beim SpiFa erhältlich und online abrufbar unter spifa.de/positionen .
Auf den letzten Metern hat sich die Ampelkoalition aus SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP auf Änderungen am GKV-Finanzstabilisierungsgesetz (GKV-FinStG) geeinigt. Die sogenannte Neupatientenregelung in der vertragsärztlichen ambulanten Versorgung wird mit Wirkung zum 1. Januar 2023 gestrichen, die offene Sprechstunde wird budgetiert. Zugleich setzt die Ampelkoalition Anreize für Ärztinnen und Ärzte für eine schnellere Terminvergabe zu Fachärztinnen und Fachärzten über die Hausärztinnen und Hausärzte oder die Terminservicestelle, an die sich Versicherte wenden können, die keinen entsprechenden Termin erhalten.
„Dieses Gesetz löst keine Probleme. Es mag die Finanzlage der Krankenkassen im kommenden Jahr stabilisieren, das Gesundheitswesen selbst hingegen wird geschwächt,“ so der SpiFa-Vorstandsvorsitzende Dr. Dirk Heinrich. „Mit diesem Gesetz lässt die Bundesregierung die entscheidenden Fragestellungen offen und ausnahmslos alle Akteure des Gesundheitswesens im Regen stehen. Dabei wünschen sich alle Beteiligten eine nachhaltig stabile Finanzierung, nicht zuletzt auch die Beitragszahlenden selbst.“
Im Zuge der Diskussion um den Wegfall der Neupatientenregelung ist im Kern deutlich geworden: eine Budgetierung ärztlicher Leistungen ist nicht zielführend. Sie ist nicht gerecht, sie benachteiligt vor allem Berufsgruppen in der fachärztlichen Grundversorgung und sie mündet letztendlich in einer schlechteren Versorgung von Patienten. Sie schreckt junge Ärztinnen und Ärzte vor der Niederlassung ab und bewegt Ärztinnen und Ärzte der älteren Generation, ihre Praxen nicht mehr übers Rentenalter hinaus weiter zu betreiben. Dabei werden niedergelassene Ärztinnen und Ärzte überall dringend gebraucht. Auf die Betroffenheit in der Gesundheitsversorgung und die Fehlentscheidungen im Gesetz hatten der SpiFa und seine Mitglieder in der Kampagne #WartenBisDerArztKommt deutlich hingewiesen. „Die Ampelkoalition hat sich in Ihrem Koalitionspapier auf den Einstieg in den Ausstieg aus der Budgetierung verständigt und plant das Ende der Budgetierung im hausärztlichen Versorgungsbereich. Es ist Zeit, dies zügig anzugehen und damit ein deutliches Signal an die Ärztinnen und Ärzte zu senden,“ so Heinrich weiter.
Auch SpiFa-Hauptgeschäftsführer Robert Schneider wendet den Blick nach vorne: „Die bisherigen Vorhaben und Maßnahmen seitens der Gesundheitspolitik und des Ministers haben dem Gesundheitssystem nachhaltig geschadet und das Vertrauen der Ärztinnen und Ärzte, aber auch der weiteren Leistungserbringer in die Gesundheitspolitik der Bundesregierung destabilisiert. Es ist jetzt Aufgabe dieser Regierung, dieses Vertrauen wieder herzustellen und eine Basis für ein konstruktives Miteinander aller Akteure im Gesundheitswesen herzustellen. Ohne Letzteres werden kommende Reformen nicht gelingen können.“
Die aufwendigere Behandlung von Neupatienten außerhalb des Budgets zu vergüten, war ein wichtiges Signal als Einstieg in die Entbudgetierung der Leistungen der Ärztinnen und Ärzte. Entsprechend groß ist die Verärgerung seitens der Fachärzteschaft über die geplante Streichung dieser Regelung. SpiFa-Vorstandsvorsitzender Dr. med. Dirk Heinrich moniert dabei, dass mit der geplanten Streichung insbesondere die Facharztgruppen getroffen werden, die bereits am stärksten unter der Budgetierung leiden.
„Betrachtet man die Auszahlungsquoten über die Fachgruppen hinweg, so wird schnell deutlich, dass die in der fachärztlichen Grundversorgung tätigen Fachgruppen besonders betroffen sind: Orthopäden, Urologen, Frauenärzte, Internisten oder beispielsweise auch HNO-Ärzte“, so Heinrich. „Für diese Arztgruppen ist die Neupatientenregelung bisher zumindest eine Möglichkeit, eine fachärztliche Grundversorgung zu gestalten. Jetzt sollen diese positiven Akzente wieder verschlechtert werden und das trifft ausgerechnet diejenigen, die sowieso schon benachteiligt sind. Dies sind übrigens dieselben Fachgruppen, die im Rahmen des TSVG verpflichtet wurden, zusätzlich offene Sprechstunden anzubieten, was laut Bundesregierung auch so bleiben soll.“
Innerhalb dieser Gruppen gibt es zudem deutliche regionale Unterschiede: die Auszahlungsquoten sind zum Beispiel in Niedersachsen, NRW, Berlin, Thüringen oder dem Saarland besonders gering, entsprechend sinnvoll die Neupatientenregelung. „Effektiv wird die Streichung nur rund ein Drittel der 183.000 niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte und Psychotherapeuten betreffen. Die werden die mit der geplanten Streichung der Regelung verbundene Zeche bezahlen müssen. Das ist ungerecht, eine gleichmäßige Verteilung auf die Schultern aller Ärztinnen und Ärzte erreicht die Bundesregierung damit sicher nicht!“
Nach Ansicht des SpiFa befeuert das Gesetzesvorhaben den schon bestehenden Ärztemangel, denn die Niederlassung wird immer unattraktiver. Viele ältere Ärztinnen und Ärzte sind immer weniger bereit, über das gewohnte Ruhestandsalter hinaus ihre Praxen zu betreiben und es droht eine Ruhestandswelle. Nachfolger für die Praxen sind kaum zu finden. „Diese Situation wird sich noch verschlimmern und es ist der falsche Zeitpunkt, den wichtigen Schritt in Richtung Entbudgetierung durch die TSVG-Neupatientenregelung wieder zurückzunehmen. Es sei denn man ist der Überzeugung, Deutschlands Gesundheitsversorgung brauche keine ambulanten Strukturen“, so Heinrich weiter.
Anlässlich der Anhörung des Ausschusses für Gesundheit (AfG) am heutigen Tage zum GKV-Finanzstabilisierungsgesetz informiert der SpiFa mit seinen Mitgliedsverbänden die Politik und Öffentlichkeit im Rahmen seiner Kampagne #WartenBisDerArztKommt. Alle Informationen hierzu unter: www.WartenBisDerArztKommt.de
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