Die aktuelle Ankündigung von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach, die Neupatientenregelung im Terminservice- und Versorgungsgesetz zu streichen, sorgt für Kopfschütteln beim Spitzenverband Fachärzte Deutschlands e.V. (SpiFa).
„Wir benötigen bei der Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung eine nachhaltige grundsolide Reform. Aber anstatt eines großen Aufschlages stürzt sich Herr Lauterbach lieber aufs Kleinklein und sendet damit ein falsches Signal an Patienten und die Ärzteschaft“, so Dr. Dirk Heinrich, Vorstandsvorsitzender des SpiFa.
Mit der Abschaffung der Neupatientenregelung wird am falschen Ende gespart. „Das geht vor allem zu Lasten der Patienten, die nun Dank Herrn Lauterbach wieder länger auf einen Termin warten müssen. Das sind faktisch Leistungskürzungen,“ so Heinrich weiter. „Dabei hatte doch die Einführung des TSVG viele positive Effekte für die Patientenversorgung nach sich gezogen.“
Der Wegfall der Neupatientenregelung kommt für die Fachärzteschaft einer Verschärfung der Budgetierung gleich. Heinrich hierzu: „Das wird die ohnehin schon massiven Probleme in der medizinischen Grundversorgung weiter verschärfen: die Bereitschaft zur Niederlassung wird weiter sinken, insbesondere auch in prekären Versorgungsgebieten, die Bereitschaft von Fachärztinnen und Fachärzten, früher in den Ruhestand zu gehen, wird steigen.“ Auch hier indirekt die Folge für Patienten: weniger Termine, längere Wartezeiten, Leistungskürzungen.
Problematisch sieht der SpiFa auch, wie mit den Bereinigungseffekten für bisher erbrachte Leistungen umgegangen werden soll. Hierzu Heinrich: „Erst müssen Fachärztinnen und Fachärzte aufgrund der Budgetierung von Leistungen auf einen Teil ihrer Honorare verzichten, dann wird ihnen eine Möglichkeit eröffnet, extrabudgetär zu praktizieren und im Nachhinein sollen diese Leistungen dann doch wieder ins Budget fallen. Das ist Betrug an der Fachärzteschaft. So geht es nicht!“
Die Länder betrachten mit Sorge die Entwicklungen in der deutschen Gesundheitsversorgung: investorengetragene MVZ sind kein Einzelfall mehr und keine Stilblüte der zahnärztlichen Versorgung. Tatsächlich überwiegt ihr Anteil bereits über viele Facharztgruppen hinweg – mit steigender Tendenz.
„Hier ist zügiges Handeln seitens des Gesetzgebers gefragt,“ so der SpiFa-Vorstandsvorsitzende Dr. med. Dirk Heinrich. „Wir brauchen in Deutschland mehr denn je Investitionen in die Versorgungsstrukturen. Diese müssen aber von einer nachhaltigkeitsgetriebenen Orientierung an Gemeinwohlinteressen anstatt dem kurzfristigen Ziel einer möglichst hohen Rendite getrieben sein. Und dafür brauchen wir klare gesetzliche Rahmenbedingungen. Nur so kann eine allumfassende Patientenversorgung langfristig sichergestellt und die Freiheit ärztlicher Entscheidungen, was Diagnose und Therapie betrifft, geschützt werden.“
Der SpiFa stellt in diesem Zusammenhang weitere konkrete Forderungen. Dazu gehören beispielsweise die Verpflichtung, dass die Leitung eines medizinischen Versorgungszentrums stets einem zugelassenen Vertragsarzt bzw. Vertragsärztin obliegen muss. Heinrich hierzu: „Damit könnte zumindest im Ansatz sichergestellt werden, dass unternehmerische Entscheidungen aufgrund von medizinischen und nicht rein ökonomischen Prinzipien getroffen werden.“
Darüber hinaus fordert der SpiFa die Erstellung eines durch GKV-Spitzenverband, Kassenärztliche Bundesvereinigung und Deutsche Krankenhausgesellschaft gepflegten Transparenzregisters hinsichtlich der Trägerstrukturen und wirtschaftlich Berechtigten von medizinischen Versorgungszentren sowie die erneute Prüfung der Zulassung von MVZ zur vertragsärztlichen Versorgung im Falle, dass sich die Trägerstruktur, Gesellschaftsform oder wirtschaftliche Berechtigung ändert.
SpiFa-Hauptgeschäftsführer Robert Schneider hebt die Aktualität und Dringlichkeit des Problems hervor: „Uns liegen Berichte und aktuelle Akquise-Anschreiben zum Erwerb von Praxen vor, die nicht nur die sogenannten diagnostischen Fachgruppen betreffen. Wir werden auch mit Akquise-Bestrebungen in der (fach-)ärztlichen Grundversorgung konfrontiert wie z.B. der Orthopädie aber auch der Allgemeinmedizin. Diese Schreiben erreichen täglich zig Fachärztinnen und Fachärzte und ermutigen diese, Ihre Praxissitze zu verkaufen. Damit wird die Gefahr, die von Kapitalinvestoren im Gesundheitswesen ausgeht, für viele Fachärztinnen und Fachärzte sowie die zukünftige Patientenversorgung zur konkreten Bedrohung. Hier muss der Gesetzgeber dringend handeln!“
Gerade eine Woche ist es her, seitdem der Bundesrat gebilligt hat, dass Grippeschutzimpfungen künftig in Apotheken angeboten werden dürfen. Nun wurde per Schiedsspruch zwischen dem Deutschen Apothekerverband (DAV) und GKV-Spitzenverband ein Paket an Dienstleistungen festgelegt. Darin ebenfalls enthalten: urärztliche Aufgaben.
Hierzu der SpiFa-Vorstandsvorsitzende Dr. Dirk Heinrich: „Es ist bemerkenswert, dass ein Schiedsgericht den Betrag für eine Medikations-Erstberatung auf 90 Euro veranschlagt. Damit bekommen Apothekerinnen und Apotheker nun einen Betrag für eine Beratungsleistung, für welche Ärztinnen und Ärzte in der medizinischen Grundversorgung sonst vierteljährlich mit einem Bruchteil davon pauschal pro Patientin oder Patient entlohnt werden. Die Fachärzteschaft betrachtet dies definitiv als Signal und Marschrichtung für die kommenden Honorarverhandlungen.“ So seien beispielsweise auch die im pharmazeutischen Dienstleistungspaket veranschlagten 11,20 Euro für eine Blutdruckmessung zu betrachten.
Dr. Norbert Smetak, Mitglied des SpiFa-Vorstandes ergänzt: „Das ist ein Schlag ins Gesicht. Deutlicher kann man seine Geringschätzung der Qualifikation und Leistungen von Ärztinnen und Ärzten nicht ausdrücken. Dabei sind gerade sie das Rückgrat unseres Gesundheitssystems, immer bereit und auch über das gewohnte Maß hinaus, wie die Pandemie deutlich gezeigt hat. Zu behaupten, diese Entscheidung geschehe zum Patientenwohl ist Irrsinn. Mit dieser Regelung wird weder eine Versorgungslücke geschlossen noch Versorgung nachhaltig verbessert. Stattdessen wird Patientinnen und Patienten signalisiert, dass man für eine persönliche, vollumfängliche Medikationsberatung weder Medizin studiert, noch jahrelange fachliche Erfahrung gesammelt haben muss.“
Der SpiFa bedankt sich beim Präsidenten der Bundesärztekammer Dr. Klaus Reinhardt für die klaren Worte zur Blockadehaltung seitens des Bundesgesundheitsministers, eine neue zwischen Bundesärztekammer, PKV und Beihilfe weitestgehend konsentierte GOÄ auch umzusetzen.
Auch die deutsche Fachärzteschaft empfindet es als Affront, dass dieses wichtige Thema in der weiteren Vorhabenplanung derzeit keine oder kaum Berücksichtigung findet. Hierzu der SpiFa-Vorstandsvorsitzende Dr. Dirk Heinrich: „Wir sprechen hier über eine Selbstverständlichkeit: dem Erlass einer dem aktuell medizinisch-wissenschaftlichen Standard entsprechenden und betriebswirtschaftlich kalkulierten Gebührenordnung. Stattdessen wird verlangt, dass wir nach einem medizinischen Stand von vor 30 Jahren abrechnen. Wir machen aber nun mal keine Medizin von vor 30 Jahren, sondern nutzen High-Medizintechnik und diese müssen wir auch in einer Abrechnung transparent, logisch und betriebswirtschaftlich abbilden können.“
Eine solche Abbildung gebietet auch der Patientenschutz, damit mit den entsprechenden Preissignalen Innovationen eingeführt werden können, bevor diese in die Regelversorgung der gesetzlichen Krankenversicherung überführt werden. Dieses Verfahren hat sich bisher bewährt und wird weiterhin notwendig sein, um den medizinischen Innovationsschub am Gesundheitswirtschaftsstandort Deutschland abzubilden und zu fördern.
Der SpiFa schließt sich der Forderung von Bundesärztekammer und PKV-Verband an den Bundesgesundheitsminister an, den von allen Beteiligten konsentierten Vorschlag umzusetzen.
„Die Fachärztinnen und Fachärzte sind überzeugt, dass mit dem Einsatz von Selektivverträgen die Gesundheitsversorgung in Deutschland maßgeblich verbessert werden kann. Sie ermöglichen einen schnelleren Zugang zu medizinischen Innovationen und schaffen einen Wettbewerb um die bestmögliche Versorgung von Patientinnen und Patienten. Davon profitiert das gesamte Gesundheitssystem, auch die Krankenkassen, vor allem aber die Patientinnen und Patienten,“ so Dr. Helmut Weinhart, zweiter stellvertretender Vorstandsvorsitzender des SpiFa. Doch leider ist bislang die Einführung und Implementierung von Selektivverträgen immer noch eher die Ausnahme als die Regel. Grund dafür waren bisher unter anderem eine fehlende gesetzliche Definition und eine gesetzliche Förderung sowie bisweilen eine Blockadehaltung seitens der Krankenkassen oder der Kassenärztlichen Vereinigungen. „Leider mussten etliche SpiFa-Mitgliedsverbände in den letzten Jahren immer wieder erleben, dass so mit bürokratischen Hindernissen eine bestmögliche fachärztliche Versorgung in Gesundheitsregionen oder für definierte Populationen verhindert wurde,“ so Weinhart weiter.
SpiFa-Vorstandsmitglied Dr. Norbert Smetak ergänzt: „Deutschlands Gesundheitswesen steht vor großen Herausforderungen und zunehmenden Versorgungsproblemen. Daher bedarf es gerade jetzt einer gesetzlichen Förderung, um auf diese Probleme zu reagieren und Versorgungsinnovationen schnell für die Versorgung der Menschen in Deutschland nutzbar zu machen. Wir begrüßen daher sehr, dass die Koalitionsparteien vorhaben, die Attraktivität von bevölkerungsbezogenen Versorgungsverträgen zu erhöhen und den gesetzlichen Spielraum für Verträge zwischen Krankenkassen und Leistungserbringern auszuweiten. Der SpiFa und seine Mitgliedsverbände bieten in diesem Zusammenhang ihre Expertise an und sind zum Gespräch bereit.“
Der aktuelle IGeL-Report spricht von einem „fragwürdigen Umgang mit IGeL in den Praxen“ und beschreibt darin Szenarien bezüglich Terminvergabe und Beratung zu IGeL. „Die Art und Weise, in welcher hier pauschaliert allen Fachärztinnen und Fachärzten, die IGeL anbieten, Fehlverhalten unterstellt wird, ist unerträglich und schlichtweg diffamierend,“ so der stellvertretende SpiFa-Vorstandsvorsitzende Dr. Helmut Weinhart. „Zu unterstellen, dass die Fachärzteschaft Termine von Regeluntersuchungen zu Gunsten von IGeL zurückhält, ist ungeheuerlich. Die Fachärztinnen und Fachärzte tun alles, um Ihren Patientinnen und Patienten die bestmögliche Versorgung zu bieten. Mit solchen unhaltbaren Aussagen bietet man den Patientinnen und Patienten keine Hilfestellung, sondern trägt zu deren Unsicherheit bei und schwächt ihr Vertrauen in ihren Facharzt.“
Auch dass Patientinnen und Patienten mittels falscher Informationen zu Selbstzahlerleistungen überredet und teilweise bei Ihrer Entscheidung unter Druck gesetzt würden, sei wohl eher eine seltene Ausnahme als die Regel. „Eine fachärztliche Aufklärung über Nutzen und Mehrwert von Selbstzahlerleistungen in jedem individuellen Fall ist für die Fachärzteschaft selbstverständlich,“ so Dr. Christian Albring, 3. stellvertretender Vorsitzender des SpiFa. „Es gibt fachärztliche Leistungen, die nun einmal über den gesetzlichen Leistungskatalog hinausgehen und den Patientinnen und Patienten zur Verfügung gestellt werden können und oft sogar müssen, um eine leitliniengerechte Behandlung der Versicherten zu ermöglichen. Auch darin sehen wir unseren fachärztlichen Auftrag.“
„Impfen war aus gutem Grund schon immer ein wichtiger Bestandteil der ärztlichen Berufsordnung sowie der Regelversorgung und muss es auch bleiben,“ so der SpiFa-Vorstandsvorsitzende Dr. Dirk Heinrich. Das Vorhaben der Ampelkoalition ließe völlig außer Acht, dass es beim Impfen nicht nur darum gehe, Patientinnen und Patienten auf eigenes Verlangen einen Piks zu geben. „Einen Impfstoff zu injizieren ist weit mehr als das. Ärztinnen und Ärzte kennen ihre Patientinnen und Patienten und deren gesundheitliche Vorgeschichte genau, sie allein können Impfrisiken besser abschätzen und auf individuelle Fragestellungen eingehen. Genau dafür braucht es ein vertrauensvolles Arzt-Patienten-Verhältnis und dieses setzt wiederum die ärztliche Kompetenz voraus. Diese ist durch keine Fortbildung zu ersetzen, die eine Apothekerin oder ein Apotheker zur Qualifikation durchlaufen müssten,“ so Heinrich weiter.
Der stellvertretende Vorsitzende des SpiFa Dr. Helmut Weinhart hebt darüber hinaus den Mehrwert eines Impftermins beim Arzt hervor: „Auch wenn ein Impftermin oft der primäre Anlass zum Arztbesuch ist, bietet er Ärztinnen und Ärzten die Gelegenheit, ihre Patientinnen und Patienten in Augenschein zu nehmen, mit ihnen ihren allgemeinen Gesundheitszustand zu besprechen und gegebenenfalls auch frühzeitig gesundheitliche Probleme, die möglicherweise ein Impfrisiko bergen, zu erkennen und zu behandeln. So sieht nachhaltige gesundheitliche Regelversorgung aus und nur in diesem Rahmen können und müssen weiterhin Impfungen besprochen und durchgeführt werden.“
SpiFa Hauptgeschäftsführer Robert Schneider mahnt das Vorhaben aus berufspolitischer Sicht an: „Bei knapp 19.000 Apotheken in Deutschland lässt sich ein Mehrwert für das deutsche Gesundheitswesen durch diese Maßnahme nicht erkennen. Es wäre zu wünschen, dass sich die Koalitionsparteien endlich den großen Themen und dringend benötigten Reformvorhaben widmen, anstatt an klassischen Stellen der ärztlichen Regelversorgung herumzuwerkeln.“
Stv. 2. Vorstandsvorsitzender SpiFa
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Mitglied des Vorstandes SpiFa
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Kooptiertes Mitglied des Vorstandes
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Ehrenpräsident SpiFa
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Vorstandsvorsitzender SpiFa
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Stv. 2. Vorstandsvorsitzender SpiFa
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Kooptiertes Mitglied des Vorstandes
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Ehrenpräsident SpiFa
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Hauptgeschäftsführer SpiFa
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